Online auf der Autobahn

Was vernetzte Autos alles können

Teilen

Fahrzeuge sollen immer mehr zu einer digitalen Schaltzentrale werden.

Der "Nutzer" hält Einzug in die Autobranche. War in früheren Zeiten von "Kunden" oder "Käufern" die Rede, nähert sich die Branche immer mehr an das Vokabular von Tech- und Telekomfirmen an. Das wird auf dem Pariser Autosalon 2016 (Publikumstage von 1. bis 16. Oktober) besonders deutlich.

Kein Wunder - soll doch das Auto auch immer mehr zu einer digitalen Schaltzentrale werden. Opels neuer Elektrowagen Ampera-e ist selbstverständlich vernetzt, genau wie Daimlers Neufahrzeuge. Das Konzept der Stuttgarter für die neue Elektromarke EQ ist ebenso onlinefähig wie Volkswagens E-Kompaktwagen-Studie I.D. oder der neue 5008 von Peugeot. BMW führte seine jetzt runderneuerte Plattform "Connected Drive" schon vor Jahren ein. Automatische Hinweise auf einen freien Parkplatz, Hotel-Empfehlungen, Sightseeing-Tipps - all das versprechen die Autobauer den Kunden durch das vernetzte Fahrzeug.

Schöne neue Autowelt?

Ist das Auto erst einmal internetfähig, sind den Ideen keine Grenzen gesetzt. Sie reichen von fahrzeugzentrierten Dienstleistungen wie dem automatischen Notruf, der 2018 in Neufahrzeugen in der EU eingeführt werden soll, über automatische Wartungs-Dienste hin zu klassischen Online-Diensten wie Einkaufsservices oder Apps, die den Fahrzeuginsassen auch nach dem Parken noch den Weg zum Ziel weisen.

Und schließlich denken die Autohersteller immer häufiger übers Teilen nach. Nach Opel probiert Daimler in den USA die Möglichkeit aus, das eigene Auto fremden Nutzern bereitzustellen. VW feilt unter seiner neuen Marke an Carsharing-Ideen. "Künftig wird längst nicht mehr jeder ein eigenes Auto besitzen", sagt VW-Chef Matthias Müller. "Aber jeder kann auf die eine oder andere Art Kunde von Volkswagen sein."

Auto-zu-Auto-Kommunikation

Für die Kommunikation zwischen Autos haben die Hersteller ebenfalls längst Blaupausen entworfen. Daimler testet mit seinem Zulieferer Bosch in Stuttgart einen Parkplatz-Service, bei dem Sensoren der Fahrzeuge genutzt werden, um freie Stellflächen am Straßenrand aufzuspüren und diese Information zu teilen. Porsche denkt schon ans selbstständige Einparken des Sportwagens beim Restaurant-Besuch. Sind die Autos online und damit jederzeit zu orten, bieten sich auch neue Möglichkeiten für Flottenmanagement und Carsharing.

Doch lässt sich damit in Zukunft auch Geld verdienen? Ja, sagt Peter Fuß, Autoexperte der Unternehmensberatung Ernst & Young: "Das ist ein Massenthema mit hohen Skaleneffekten." Bei einer jährlichen Zuwachsrate von knapp einem Viertel, so rechnen die Kollegen von PwC vor, dürften sich die Umsätze mit der vernetzten Mobilität weltweit von geschätzten 47,2 Mrd. Euro 2017 auf 140 Mrd. Euro im Jahr 2022 verdreifachen.



Bis jetzt kann von Masse allerdings noch keine Rede sein. Heuer werden wohl erst 12,4 Millionen Fahrzeuge vom Band rollen, die entweder über eingebaute Modems oder zusätzliche Geräte mit dem Internet verbunden werden können, so die US-Analysefirma Gartner. Erst 2020 dürften weltweit 61 Millionen onlinefähige Autos gebaut werden.

"Bislang sind acht Prozent der Fahrzeuge in Deutschland überhaupt vernetzt", sagt Philipp Große Kleimann von der Strategieberatung Roland Berger. "2020 werden es mehr als 50 Prozent sein." Entsprechend sei das Vernetzen von Autos bis jetzt ein Minusgeschäft - und das werde auch auf absehbare Zeit so bleiben.

Hersteller müssen aufpassen

Trotzdem, so Große Kleimann, dürften die Autohersteller das Feld nicht anderen überlassen. Es gehe darum, wie einst Apple mit dem iPhone, iOS und App Store oder Google mit Android, ein ganzes "Ökosystem" um das Auto zu bauen. Die Frage sei, wer am Ende an der Kundenschnittstelle sitze - Technologiefirmen oder Autobauer.

"Es braucht hier eine gemeinsame Initiative von Verbänden und Herstellern", so Große Kleimann. Googles Smartphone-System Android war seinerseits aus einer solchen offenen Allianz entstanden.

Bisher feilen vor allem die Oberklasse-Hersteller jeder für sich an Möglichkeiten der Vernetzung, um die teuren Systeme gleich in ihre Autos zu integrieren. Für Porsche-Chef Oliver Blume ist trotz vieler möglicher Kooperationen klar: "Wer das Produkt verkauft, der schreibt auch seinen Namen drauf."

Externe Konkurrenten schlafen nicht

Allerdings drängen schon jetzt, so heißt es bei Roland Berger, neue Anbieter ins Auto, die sich mit Vernetzung auskennen. Schon bei der Hardware gebe es Lösungen, die preislich deutlich unter den großen Systemen der Hersteller lägen - und auch alte Autos vernetzen können.

"Die Autos in Deutschland sind im Schnitt neun Jahre alt", sagt Große Kleimann. Etwa 94 Prozent verfügten aber über eine Schnittstelle zur elektronischen Diagnose. "Damit lassen sich Informationen aus dem Auto auf das Smartphone aufspielen." Auf absehbare Zeit würden solche Nachrüst-Technologien dominieren.

Die Analysten von PwC rechnen damit, dass sich bedeutende Teile der Wertschöpfung auf Mobilitätsdienstleister, Anbieter und Zulieferer verlagern werden. Der Anteil der Hersteller am Gewinn der gesamten Mobilitätsbranche werde bis 2030 von 70 Prozent auf 50 Prozent fallen - trotz aller Anstrengungen der großen Konzerne.
 

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