Um Produktionsziel zu erreichen

Tesla baut Model 3 jetzt in einem Zelt

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Elon Musk geiselt sich selbst - rastloser Visionär kommt an seine Grenzen.

Wenn Elon Musk die Bühne betrat, feierten ihn seine Anhänger vor wenigen Monaten noch als Vordenker in Sachen Elektromobilität oder gar als Erlöser. Der Jubel, der dem Tesla-Chef entgegenbrandete, kannte keine Grenzen, wenn der Elektroauto-Pionier das Geheimnis um ein neues Elektro-Auto oder eines seiner Raumfahrtprojekte lüftete. Inzwischen ist der Stern des Visionärs allerdings etwas verblasst.
 
 

Model 3 wird zum Knackpunkt

Das liegt nicht nur an mehreren tödlichen Unfällen mit Tesla-Fahrzeugen, die trotz eingeschalteter Autopiloten in Hindernisse gerast sind. Musk selbst droht vielmehr Opfer seiner ehrgeizigen Vorhaben zu werden und wirkt auf Analysten dünnhäutig. Das von ihm bis Ende Juni ausgegebene Produktionsziel von 5.000 Teslas vom Typ  Model 3  in der Woche ist zum Knackpunkt für die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens aus dem Silicon Valley geworden.
 
 
Der ehrgeizige Milliardär versucht seit Monaten mit aller Kraft, das Produktionsziel zu erreichen und legt dazu auch selbst Hand an. Er übernachtete zeitweise sogar in der Fabrik, um Schwachstellen in der automatisierten Produktion zu beheben. Als das nicht reichte, die "Produktionshölle", wie er es selbst nannte, zu beseitigen, ließ er auf einem Parkplatz neben dem Werk in Fremont ein zwei Fußballfelder großes Zelt. für eine neue Montagelinie errichten. "Ein neues Gebäude war unmöglich und so bauten wir in zwei Wochen ein riesiges Zelt", begründete der 47-Jährige den Bau via Twitter.
 
Tesla baut Model 3 jetzt in einem Zelt
© Elon Musk ‏/ @elonmusk
 
Am Twitter-Account von NBC Bay Area wurde ein Video von dem gigantischen Zelt veröffentlicht:
 
 

Springen die Geldgeber bald ab?

Analysten bezweifeln jedoch, ob das reicht, um dauerhaft 5.000 Autos pro Woche zu produzieren. "Musk nähert sich dem Ziel an - mit viel Aufwand und Wirbel, wie bei Tesla üblich - aber ich glaube nicht, dass er es in absehbarer Zeit schafft", sagt Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler. Erst Anfang Juni hatte Musk erklärt, zurzeit liefen 3.500 Fahrzeuge pro Woche vom Band. Im April waren es zunächst nur 2.270 Wagen gewesen. 
 
Autoanalyst Pieper verweist darauf, dass zahlreiche Manager das Unternehmen verlassen hätten und Tesla das Unternehmen damit noch stärker von Musk abhänge. Der genieße immer noch hohes Ansehen bei Investoren. Die Geldgeber könnten allerdings die Geduld verlieren, sollte Tesla sein Produktionsziel abermals verpassen.
 
 

Bandarbeiter haben ebenfalls Zweifel

Auch nach Informationen aus der Belegschaft dürfte Tesla sein aktuelles Produktionsziel für das Model 3 verfehlen. Der Elektro-Auto-Pionier stelle pro Schicht nicht genügend dieser Fahrzeuge her, um bis Samstag das von Konzernchef Elon Musk ausgegebene Ziel von 5000 Stück pro Woche zu erreichen, sagten drei Bandarbeiter in der Tesla-Fabrik im kalifornischen Fremont zu Reuters. Demnach wurden diese Woche in zwei Zwölf-Stunden-Schichten an zwei verschiedenen Tagen einmal 210 und einmal 305 Fahrzeuge montiert und lackiert. Tesla fährt zwei solche Schichten pro Tag, also 14 pro Woche. Wenn von 300 Fahrzeugen pro Schicht ausgegangen wird, käme das Unternehmen so nur auf 4200 Autos. 
 

Großprojekte abseits von Tesla

Hinzu kommt, dass der rastlose Visionär sein Geld in zahlreiche Neuentwicklungen gesteckt hat, die er alle unter einen Hut bringen muss. Musk ist unter anderem Gründer des Raumfahrtunternehmens SpaceX und will Reisen zum Mars möglich machen. In einer offenbar als Werbegag gedachten Aktion schoss er unlängst einen roten Tesla mit einer Rakete ins All. Um den Verkehr auf der Erde zu revolutionieren, lässt Musk zudem eine für den Hochgeschwindigkeitstransport von Passagieren zugeschnittene Rohrpost in Vakuumröhren (Hyperloop) erproben.
 
Dass er selbst dabei noch nicht an die Grenzen physischer Belastung gekommen ist, wundert manchen Beobachter. Doch Musk ist von seinem Weg überzeugt und schickt selbst zu nächtlicher Zeit über Twitter Botschaften an Mitarbeiter oder beschwert sich über Kritik von Journalisten an seinem Führungsstil. Die Skepsis bei Investoren nimmt allerdings zu. "Bei der Organisation und Ausführung scheint er nicht so gut zu sein wie andere große Führungskräfte", zitierte das "Wall Street Journal" James Anderson, der die Tesla-Beteiligung von Baillie Gifford managt, dem drittgrößten institutionellen Anteilseigner des Autobauers.
 
 

Tesla am Scheidepunkt

Tesla befindet sich nach Meinung von Experten an einem entscheidenden Punkt. Denn vom Erfolg der Serienfertigung beim Model 3 hängt ab, ob sich das Unternehmen mit rund 40.000 Beschäftigten von einem unrentablen Nischenplayer zu einem profitablen Automobilhersteller wandeln kann. An der Börse ist Tesla mit 58 Mrd. US-Dollar (50 Mrd. Euro) inzwischen mehr wert als der größte US-Autobauer General Motors (56 Mrd. Dollar). Daimler liegt mit 69 Mrd. Dollar in Reichweite.
 

Konkurrenten greifen an

Musk profitiert von der Hoffnung seiner Geldgeber, dass Tesla der Durchbruch zu einem Massenhersteller gelingt. Dabei spielt für sie weniger eine Rolle, dass das Unternehmen nach wie vor tiefrote Zahlen schreibt. Das könnte sich nach Piepers Meinung ändern, wenn Tesla nicht liefert. "Es gibt auf Dauer kein Unternehmen, das sich gegen seine Fundamentaldaten behaupten kann." Dazu kommt, dass die Traditionsautobauer Audi, Mercedes, Jaguar oder BMW dem visionären Elektroautobauer auf die Pelle rücken. "Schon im nächsten Jahr werden einige neue Elektromodelle vorgestellt, die vermutlich in manchen Dingen dem Tesla überlegen sein werden", glaubt Pieper. "Damit würde für Tesla die paradiesische Zeit, als Elektroautobauer auf weiter Flur alleine zu sein, zu ende gehen." Bis zum nächsten Jahr müssen wir da gar nicht warten. Den Jaguar  I-Pace  kann man bereits kaufen und Audi bringt den  e-tron  auch noch 2018 in den Handel. Mercedes greift Anfang 2019 mit dem  EQC  an, lediglich bis zum Marktstart des BMW  iX3  dauert es noch länger (2020). Alle vier Modelle greifen das  Model X  jedenfalls direkt an. Was Tesla aber noch härter treffen könnte, ist dass das Model 3 frühestens 2019 nach Europa kommt, Hyundai bei uns aber den  Elektro-Kona  mittlerweile verkauft. Der Stromer bietet eine Reichweite von 480 km und ist mit rund 43.000 Euro (204 PS und Vollausstattung) preislich auf dem Niveau des "nackten" Einstiegsmodells von Tesla (ab 35.000 Dollar ohne Steuern).
 
 
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