Globale Vernetzung

Japans Autoindustrie hängt nach Beben in den Seilen

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Experten halten sogar einen weltweiten Produktionseinbruch für möglich.

Japans Autoindustrie gleicht einem angeschlagenen Boxer: Das Jahrhundertbeben vor zwei Wochen schickte die Branche mit einem Schlag zu Boden, sie kam praktisch zum Erliegen. Wann sie es wieder auf die Beine schafft, ist ungewiss. Branchenexperten befürchten, dass es eher Monate als Wochen dauern dürfte.

Normalzustand noch in weiter Ferne
"Bis zum Normalzustand ist der Weg noch weit", sagt Autoanalyst Kurt Sanger von der Deutschen Bank in Tokio. "Wir sind in einer Lage, in der wir nur auf eine schrittweise Verbesserung hoffen können." Bisher bereits summiert sich der Produktionsausfall auf ungefähr eine drittel Million Fahrzeuge.

Globale Vernetzung als Achillesferse
Die Katastrophe zeigt die besondere Verletzlichkeit eines hoch technisierten, zersplitterten und global vernetzten Industriesektors, in dem die Produktionsprozesse minuziös aufeinander abgestimmt sind. Neue Automodelle bestehen mittlerweile aus bis zu 30.000 Teilen. Etwa drei Viertel davon stammen von Hunderten verschiedenen Zulieferern. Das Fehlen eines einzigen Bolzens kann den Stopp der Montagebänder nach sich ziehen und zu einer grenzüberschreitenden Kettenreaktion führen.

Viele Zuliefererbetriebe verwüstet
Das gilt insbesondere für Japan, wo etwa 500 Zulieferbetriebe im Nordosten von den Verwüstungen betroffen sind. Beschädigt wurde etwa ein Werk des Chipkonzerns Renesas Electronics. Auf dessen Produkte verlässt sich fast ein Fünftel der weltweiten Autoproduktion, wie die Experten von Deutsche Securities vorrechnen. Die Branchenforscher von IHS Automotive halten schlimmstenfalls einen Einbruch der globalen Fahrzeugfertigung von 30 Prozent binnen sechs Wochen für möglich, weil wegen des Bebens in großem Umfang Teile fehlten.

Das Desaster traf die 700 Milliarden Dollar (496 Mrd. Euro) schwere japanische Autoindustrie gerade, als sich diese gerade vom Absatzschwund im Zuge der Finanzkrise zu erholen begann. Die Unternehmen setzten den Rotstift an und stärkten die Produktion im Ausland, um negative Währungseffekte durch den starken Yen abzufedern.

Teile werden schon knapp
Nach dem Beben werden zwar in Japan noch Ersatz- und Bauteile gefertigt für Autos, die im Ausland montiert werden. Aber das Material wird knapp. Hinzu kommen Stromausfälle und Treibstoffmangel. Und Arbeiten in Komponenten-Werken in der Nähe des havarierten Atomkraftwerks Fukushima - wie eine Maschinenfabrik von Nissan - sind ohnehin derzeit tabu.

Marktführer Toyota hat seine Belegschaft und Händler in Nordamerika bereits darauf eingestellt, dass die Fertigung dort zurückgefahren werden könnte. Der Konzern gibt wie die Rivalen Nissan und Honda fast täglich Wasserstandsmeldungen zu seinen Produktionsplänen. Doch mit verbindlichen Prognosen halten sich die Hersteller zurück. "Es ist sehr, sehr schwer vorauszusagen, wann wir imstande sein werden, unsere Produktion wiederanzufahren", sagt ein Nissan-Sprecher. Auch Analyst Tatsuo Yoshida von UBS zeigt sich ratlos: "Es ist eine Situation, die es überhaupt noch nie gegeben hat."

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