Wer macht das Rennen?

E-Mobilität krempelt PS-Branche um

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Das Rennen ist eröffnet, Vorsprung durch Technik entscheidet.

Die deutsche Autoindustrie, von der auch viele österreichische Unternehmen stark abhängen, steht vor einer tektonischen Verschiebung: Benzin- und Dieselmotoren sind langfristig gesehen Auslaufmodelle, die Konzerne wollen Milliarden investieren, um klimaschonenden Stromantrieben zum Durchbruch zu verhelfen. Das Rennen um die vorderen Plätze in der Elektromobilität, die zum Massenmarkt werden soll, ist eröffnet. Und 2017 könnte bereits zum Entscheidungsjahr in der Branche werden.

Nur wer jetzt durchstartet, kann nach Überzeugung von Experten den IT-Giganten Apple und Google aus dem Silicon Valley bei elektrischen, selbstfahrenden Autos in Zukunft die Stirn bieten. "Diejenigen, die die größte Kriegskasse haben und am weitesten mit der Entwicklung sind, haben einen Vorteil", sagt der Branchenfachmann Peter Fuß von der Unternehmensberatung EY.

Mega-Investition bis 2020

Nach Angaben des Branchenverbandes VDA will die deutsche Autoindustrie bis 2020 die beachtliche Summe von mehr als 40 Milliarden Euro in alternative Antriebe investieren. Die Zahl der Modelle soll sich bis dahin auf fast 100 etwa verdreifachen. Auch wenn der globale Marktanteil der Elektroautos nach der Ansicht von Autoprofessor Stefan Bratzel bis dahin nur moderat auf 2,5 bis sechs Prozent wachsen wird - die Hersteller müssen gerüstet sein für den dann erhofften Schub. Bis zum Jahr 2025 sollen E-Mobile mit 25 Millionen Stück ein Viertel der weltweiten Neuregistrierungen ausmachen.

Gelingen soll der Kraftakt in einer Zeit, in der sich das Umfeld wegen politischer Unsicherheiten eintrübt. Den Großkonzernen Volkswagen, BMW und Daimler trauen Fachleute dennoch zu, den Umschwung aus eigener Kraft zu schaffen, da sie seit der letzten Krise 2008 Finanzpolster aufbauen konnten. "Viele Autobauer und Zulieferer haben prall gefüllte Kassen", sagt EY-Berater Fuß. Kleinere Hersteller tun sich dagegen schwerer.

Tops und Flops

Technologisch gesehen hat nach einer Studie von Autoprofessor Bratzel zurzeit der US-Elektroautopionier Tesla die Nase vorn, gefolgt von Renault ( Zoe ) und General Motors ( Bolt ) mit Opel ( Ampera-e ). Sie bieten derzeit die Elektroautos mit den längsten Reichweiten an. Am unteren Ende dieser Liste der innovationsstärksten Elektroauto-Bauer stehen Fiat , Peugeot und Honda . "Es gibt einige Unternehmen, die selbst nicht aktiv sind, was die Elektrifizierung betrifft", sagt Automobil-Berater Klaus Stricker von Bain. Diese müssten sich stärker auf die Zulieferung von Batteriesystemen oder komplette elektrische Antriebsstränge verlassen. Bratzel rechnet mit einem "intensiven Langstreckenrennen" über die nächsten zehn bis 15 Jahre: "Nicht alle Hersteller werden diesen Wandel überleben."

Um das Geld für den Kursschwenk freizuschaufeln, müssen die Konzerne ihre Kosten senken. In den nächsten Jahren dürften zudem Zehntausende Arbeitsplätze wegfallen, weil die Produktion eines Elektroantriebs weniger arbeitsintensiv ist als die eines Verbrennungsmotors. Rechnet man noch die damit verbundene Technik wie Getriebe, Kühlung oder Abgasreinigung dazu, hängt davon nach Einschätzung von Jürgen Pieper, Chefanalyst vom Bankhaus Metzler, mindestens jeder dritte Arbeitsplatz der Branche ab. Daimler-Betriebsratschef Michael Brecht zufolge werden für den Bau von Elektromotoren nur ein Zehntel so viele Arbeitnehmer gebraucht wie für konventionelle Antriebe. Volkswagen hat auch vor diesem Hintergrund einen radikalen Umbau beschlossen. Rund 30.000 Stellen sollen bis zum kommenden Jahrzehnt wegfallen, während etwa 9000 neue Jobs in der Elektromobilität entstehen könnten.

Wer macht das Rennen?

Trotz aller Bemühungen, die Kosten zu senken: Hohe Investitionen, ein Umbau der Produktion und geringe Stückzahlen werden nach Experteneinschätzung die Gewinne der Autobauer in den kommenden Jahren schmälern. "Der Druck auf die Margen wird im Laufe des Verschiebungsprozesses zunehmen, da sich der Anteil der profitablen Verbrenner reduziert", schreiben die Analysten der Landesbank Baden-Württemberg in einer Studie.

Wer von den Konzernen den Wandel am besten bewältigt, wird sich vermutlich erst in zehn Jahren beurteilen lassen. Die Autobauer gehen mit ihren Milliardeninvestitionen ein hohes Risiko ein, denn niemand kann ihnen garantieren, dass die Kundschaft E-Mobile in hohen Stückzahlen kaufen wird. Die Fachleute rechnen deshalb damit, dass die Autobauer ihre Kräfte bündeln werden, um die Lasten zu teilen. Eine Allianz für Ladestationen gibt es schon. Spekuliert wird schon länger auch über eine gemeinsame Batteriefabrik. Auto-Experte Fuß bringt es auf den Punkt: "Es ist eine große Kraftanstrengung für die gesamte Branche."

 

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