Wiener Gerichtsurteil

VW-Skandal: Hohe Summe für Golf-Fahrerin

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Klägerin bekommt laut nicht rechtskräftigem Entscheid 29.000 Euro, ihr Diesel-Pkw kostete "nur" 26.500 Euro.

Im Skandal um manipulierte Dieselfahrzeuge des  VW -Konzerns gibt es ein neues Urteil gegen einen Autohändler - laut dem Anwalt der Klägerin das "bis jetzt für den Autokäufer vorteilhafteste". Das Handelsgericht (HG) Wien sprach einer Frau, die 2012 um 26.500 Euro einen  Golf  (Symbolbild) mit Tageszulassung gekauft hatte, rund 29.000 Euro (mit Zinsen) zu. Nicht rechtskräftig.

Die Autofahrerin ist schon 2015 zu Gericht gegangen. Sie klagte auf Rückabwicklung des Kaufvertrags, wollte also ihr manipuliertes Auto wieder abgeben und ihr Geld zurück. Sie begehrte 24.306 Euro samt vier Prozent Zinsen, ein Benutzungsentgelt in Höhe von 2.194 Euro hatten ihre Rechtsvertreter von der Linzer Poduschka Anwaltsgesellschaft schon abgezogen.

Per November 2016 betrug der Händler-Einkaufspreis, also jener Preis, um den ein Autohändler heute das Fahrzeug kaufen würde, 11.713 Euro, stellte nun, Ende Mai 2018, das Handelsgericht fest und ließ die Klage der Autofahrerin durch.

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Ausschlaggebender Grund

Die entscheidende Feststellung: "Hätte die Klägerin gewusst, dass in das von der Beklagten angekaufte Fahrzeug eine zur Manipulation der Abgaswerte am Prüfstand entwickelte Software eingebaut wurde, hätte sie den Kaufvertrag nicht abgeschlossen." Auch "hätte sie das Fahrzeug nicht gekauft, wenn sie gewusst hätte, dass die angeführten Abgaswerte durch den Einfluss einer den Ausstoß von Stickoxid am Prüfstand beeinflussenden Software erzielt wurden", heißt es in dem der APA vorliegenden Urteil (23 Cg 67/15a - 35) weiter. "Aufgrund dieser Manipulation hat die Klägerin ihr Vertrauen in die Volkswagen AG verloren."

Kein Neuwagenkäufer habe nämlich Interesse an einem Fahrzeug, "das mit einer Software zur Manipulation des Abgasausstoßes ausgestattet ist und er deswegen gezwungen sein wird, an seinem Fahrzeug eine technische Überarbeitung mit unbekannten Folgen vornehmen zu lassen widrigenfalls die Möglichkeit des Entzugs der Zulassung besteht", so die Begründung.

Wäre es VW gelungen, die Vorgaben der Abgasnorm Euro 5 ohne Einbau der illegalen Umschaltvorrichtung zu erfüllen, "wäre der Einbau einer solchen Software unnötig und sinnlos gewesen", so der Richter weiters. Es sei zwar "allgemein bekannt", dass die vom Hersteller angegebenen Abgaswerte wegen der "unzureichenden Testbedingungen" in der Praxis "nur selten erreicht werden können". Eine andere Sache sei aber, "ob sogar in diesem künstlichen Prüfverlauf noch getäuscht wird." Tatsächlich habe die Einhaltung der Euro-5-Norm sogar am Prüfstand "nur wegen des Einsatzes einer manipulierenden Software sichergestellt werden" können.

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Klägerin ließ Update nicht durchführen

Vom Software-Update, das die Klägerin nicht durchführen ließ, hält das Handelsgericht wenig: "Die Klägerin wird aufgrund der mit der Nachrüstung verbundenen möglichen Beeinträchtigung auch nach Durchführung der von Volkswagen angebotenen technischen Maßnahmen nicht so gestellt, wie sie es zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses annahm."

Michael Poduschka von der Poduschka Anwaltsgesellschaft, die die Klägerin vertritt, ist besonders mit der Berechnung des Benützungsentgelts zufrieden - zumal andere Gerichte klagenden VW-Fahrern weit weniger als den Kaufpreis zugesprochen hatten. Das Handelsgericht stützte sich auf § 273 der Zivilprozessordnung (ZPO), wonach das Erstgericht bei kompliziert zu berechnenden Schäden diese schätzen soll. "Aus meiner Sicht ist eine Bemessung gemäß dieser Gesetzesstelle OK", so Poduschka zur APA. Im aktuellen Fall hat das Handelsgericht einzig die fiktive Gesamtlaufleistung des Fahrzeuges von 300.000 auf 250.000 Kilometer reduziert und deshalb 440 Euro abgezogen.

"Wir sagen, es geht aus Sicht des Käufers einzig und allein darum, was er von dem gekauften Fahrzeug bis zu dessen Rückgabe gehabt hat", meint Poduschka. "Ein Fahrzeug hält statistisch bis zur Verschrottung 250.000 Kilometer, die Klägerin ist 'davon' 25.000 Kilometer gefahren, also ein Abzug circa 10 Prozent." Die Gegenseite sei hingegen der Ansicht, dass das Auto viel mehr als diese 10 Prozent an Wert verliere, nämlich rund 50 Prozent. "Wir sagen, das ist irrelevant. Es geht darum, um was der Kläger bereichert ist (und nicht, um was der Händler entreichert ist). Und bereichert ist ein Autofahrer um die gefahrenen Kilometer", argumentiert der Anwalt.

Vom Abgasskandal betroffenen VW-Fahrern mit Rechtsschutzversicherung empfiehlt die Poduschka Anwaltsgesellschaft nach dem HG-Urteil nun, ihren Anwalt einzuschalten. "Auch bei Klagen gegen die Volkswagen AG können dieselben Argumente verwendet werden." Die Überlegungen zur Berechnung des Benutzungsentgelts eröffneten neue Wege.

Umrüstung fast abgeschlossen

Auf Österreichs Straßen sind geschätzte 394.000 manipulierte Dieselfahrzeuge des deutschen Volkswagen-Konzerns (VW, Audi, Seat und Skoda) unterwegs. Mehr als 41.000 müssen noch umgerüstet werden, um die illegalen Abschalteinrichtungen zu entfernen.

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